Dienstag, 1. April 2008

Alkoholkrankheit viel zu selten professionell behandelt


01.04.08 - In Deutschland trinken mehr als zehn Millionen Menschen Alkohol in gesundheitlich riskanten Mengen. Etwa zwei Millionen gelten als abhängig. Doch Studien zufolge gelangen weniger als zehn Prozent der alkoholkranken Menschen in professionelle suchtmedizinische Behandlung.


Die Entwicklung einer Abhängigkeit frühzeitig zu erkennen, fällt häufig dem Hausarzt zu. Hausärzte trauen sich aus Unsicherheit oft nicht die richtigen Fragen zu stellen. Viele Patienten wehren das Gespräch darüber ab, wenn sie es als stigmatisierend empfinden.

Überdies machen Betroffene oft falsche Angaben zu ihrem Trinkverhalten. Doch Laborwerte lassen sich nicht täuschen: Biologische Marker geben Aufschluss über die konsumierten Alkoholmengen.

"Dennoch sollte der behandelnde Arzt vermeiden, seine Patienten mit Laborwerten konfrontativ zu überführen", sagte Prof. Claudia Spies von der Berliner Charité im Vorfeld des Wiesbadener Internistenkongresses.

Standardisierte Fragebögen sind hilfreich
Ein offenes direktes Gespräch biete hier einen vorsichtigeren Zugang zum Alkoholproblem. Zugleich bringt es den Betroffenen dazu, sich selbst wirklichkeitsnäher einzuschätzen. Dazu dienen auch standardisierte Fragebögen. Als besonders hilfreich haben sich in diesem Zusammenhang der "alcohol use disorder identification test" (AUDIT) und der "Lübecker Alkoholabhängigkeits- und -missbrauchs-Screening Test" (LAST) erwiesen.

"Für die tägliche Praxis empfiehlt sich eine Kurzversion des AUDIT, der AUDIT-C Test. Gegenüber dem LAST weist er eine größere Sensitivität für den riskanten Alkoholkonsum auf", sagt Spies. Zur Screening-Zielgruppe zählen alle stationär aufgenommenen Patienten, da ein Fünftel von ihnen alkoholkrank ist.

Aber auch die meisten ambulanten Patienten schätzen ein offenes Gespräch mit ihrem Hausarzt über ihr Trinkverhalten. Ein Patient mit nachgewiesener Alkoholkrankheit sollte motiviert werden, über sein Verhalten nachzudenken.

Anticraving-Substanzen, wenn die Motivation stimmt
Dabei ist streng darauf zu achten, das Gespräch nach den "FRAMES" Kriterien zu führen. "Der Arzt sollte auf keinen Fall Fragen und Antworten werten, er sollte reflektiert zuhören, positive Rückmeldungen geben und regelmäßig das Gespräch zusammenfassen", erläuterte Spies.

Im Rahmen der medizinischen Erstversorgung können Hausärzte bei entsprechender Motivation des Patienten, sich in eine begleitende interdisziplinäre Behandlung zu begeben, Anticraving-Substanzen einsetzen, die das Verlangen nach dem Suchtstoff mildern.

---------------------------------------
FRAMES-Kriterien

Das der englischsprachigen Literatur entstammende Akronym FRAMES bezeichnet folgende Komponenten der Kurzintervention:

Feedback - Rückmeldung der persönlichen Risiken des Alkoholkonsums an den Patienten
Responsibility - Betonung der Eigenverantwortlichkeit für eine Verhaltensänderung
Advice - Erteilung eines klaren, zielorientierten Ratschlags
Menu of behavioral change - Aufzeigen von Verhaltensalternativen
Empathy - sachliche, nicht konfrontative Gesprächsführung
Self-efficacy - Betonung der Selbstwirksamkeit des Patienten bei einer Verhaltensänderung

----------------------------------------
Quelle aerztlichepraxis.de

Keine Kommentare:

© terrapie´s PsychoBlog. Alle Rechte vorbehalten. Das Downloaden und die Vervielfältigung sämtlicher Inhalte bedarf der Zustimmung des entsprechenden Autors.Verlinkungen dürfen ohne Zustimmung der Autoren gemacht werden.