Donnerstag, 13. März 2008

Dem Schmerz ins Auge blicken, um seine Macht zu brechen


13.03.2008 Durch „akzeptanzbasierte Schmerztherapie“ lernen chronische Schmerzpatienten, ihr Leben wieder in die eigene Hand zu nehmen. Das neue Verfahren verdränge den Schmerz aus dem Lebensmittelpunkt, erklärte Dipl.-Psych. Gideon Franck vom Fuldaer Institut für Gesundheit auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag.

Das verhaltensmedizinische Verfahren ACT (acceptance and commitment therapy) wird seit einiger Zeit auch in Deutschland eingesetzt. Akzeptanz bedeutet, den Schmerz anzunehmen. "Das heißt aber nicht, man soll resignieren", stellte Franck klar. Im Gegenteil: Dadurch, dass die Patienten lernen, ihren Schmerz zu akzeptieren, nehmen sie ihr Schicksal wieder in die eigene Hand.

Commitment steht für "Engagement, Einsatz, Verpflichtung". Die Patienten versprechen sich selbst, einen besonders wichtigen Wert in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen, in dem bislang der Schmerz steht. Ziel der Therapie ist mehr Aktivität und Lebensfreude.

Wer unter chronischen Schmerzen leidet, versucht, den Schmerz mit Hilfe von Vermeidungs- und Ablenkungsstrategien zu verdrängen. Doch "jede Kontrollstrategie bezieht sich immer irgendwie auf das, was kontrolliert werden soll", so Franck. Daraus resultiert zusätzliches Leid, weil sich das Leben bald nur noch um den Schmerz dreht.
Immer mehr Futter für den Tiger
Diesen Teufelskreis veranschaulichte Franck mit einem Bild: "Stellen Sie sich vor, Ihr Schmerz ist ein kleiner Tiger. Sie füttern ihn mit Ihren Schmerzvermeidungsstrategien. Hier ein warmes Bad, da ein Spaziergang oder ein Mittagsschlaf. Doch der Tiger wächst und bekommt immer mehr Hunger. Auf die Dauer führt das dazu, dass Sie nur noch damit beschäftigt sind, den immer größer werdenden Tiger zu füttern."
Den Schmerz gemeinsam anschauen …
Um die Einsicht in die langfristige Wirkungslosigkeit des bisherigen Schmerzmanagements zu fördern, bittet der Fuldaer Therapeut seine Patienten, ihre Strategien aufzuschreiben. In der Regel offenbart sich dabei, dass die bisher eingesetzten Methoden tatsächlich nur kurzfristige Linderung verschaffen.

Haben Therapeut und Patient gemeinsam das Ziel der Therapie festgelegt, beispielsweise mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen, wenden sich die beiden dem Schmerz zu. "Schauen wir ihn uns einmal an" - diese Aufforderung mag zunächst Angst auslösen.
… damit er an Bedeutung verliert
Doch es gibt Übungen zur "Schmerzfokussierung", die diese Annäherung erleichtern. Dabei soll der Betroffene seinem unsichtbaren Feind eine Form geben, als Bild, Energie, Tier oder Ton. "Welche Gefühle verspüren Sie dabei? Haben Sie Angst vor diesem Tier? Wie fühlt sich diese Angst an? Woran merken Sie, dass Sie ängstlich sind?"

Die Patienten stellen beispielsweise fest, dass sie ganz unruhig werden, dass das Herz schneller schlägt oder sie plötzlich schwitzen. Die Fragen des Therapeuten helfen ihnen, sich von den Gefühlen nicht überwältigen zu lassen, sondern sie wahrzunehmen und zu beschreiben. "Wenn die Patienten ihrem Schmerz ins Auge sehen, nimmt er erstaunlicherweise eher ab als zu", weiß Franck.
Die eigenen Gedanken und Gefühle als Zuschauer betrachten
Ist der Schmerz einmal zu einem Bild geworden, kann man zu diesem auch auf Distanz gehen. Denn von Gedanken und Gefühlen kann man sich lösen. Dieses Abstandnehmen trainiert Franck mit seinen Patienten in verschiedenen Übungen, beispielsweise der Wolken- oder der Flussübung: Man sieht die Gedanken als Wolken, die am Himmel vorbei ziehen, oder man setzt sie auf Blätter, die auf einem Fluss an einem vorbei treiben.

"Das bedeutet nicht, dass wir negative Gefühle verdrängen wollen", betont Franck. "Diese Übungen sollen vielmehr helfen, Gedanken und Gefühle als Zuschauer zu betrachten, statt von ihnen aus auf die Welt zu blicken".
Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment lenken
Ein Bestandteil der ACT ist das in Studien evaluierte "Achtsamkeitstraining". Dabei geht es darum, bei jeder kleinsten Aktivität - essen, Hände waschen, gehen - im Hier und Jetzt präsent zu sein: Gedanken und Gefühle zur Kenntnis nehmen, aber die Aufmerksamkeit wieder zurück auf den gegenwärtigen Moment lenken. Gelingt die Ablösung von Gedanken und Gefühlen, gewinnen die Patienten eine neue Sicht auf ihr Leben.
me / Quelle: ProScience/aerztlichepraxis.de


Keine Kommentare:

© terrapie´s PsychoBlog. Alle Rechte vorbehalten. Das Downloaden und die Vervielfältigung sämtlicher Inhalte bedarf der Zustimmung des entsprechenden Autors.Verlinkungen dürfen ohne Zustimmung der Autoren gemacht werden.