Montag, 17. März 2008

Auch die Angst vor dem Schmerz behandeln

14.03.2008 Nachhaltige Schmerztherapie muss die Angst vor der nächsten Schmerzattacke mitbehandeln. Erst wenn die Schmerzen zumindest reduziert sind, beginne die eigentliche Schmerztherapie, sagte der Münchener Schmerzforscher Prof. Walter Zieglgänsberger auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt.
Wird Schmerz zum ständigen Begleiter, geht die wichtige Funktion als Warner und Schützer (Beispiel: heiße Herdplatte) verloren. Kommt die Angst hinzu, beginnt ein verhängnisvoller Kreislauf. "Die Situation dieser Patienten gleicht jener von Folteropfern", sagt Zieglgänsberger. Auch Folter funktioniert nicht nur aufgrund direkter körperlicher Gewalt, sondern alleine durch die Androhung von Schmerz und der Angst davor.

Patienten, die immer wieder oder ständig Schmerzen haben, werden letztlich auch zu Angstpatienten, erklärt der Neuropharmakologe am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Die Angst vor dem Schmerz wird übermächtig und beginnt das Leben zu dominieren.
Angst-Vermeidungsverhalten führt in den Teufelskreis
Dies führt zum Angst-Vermeidungsverhalten: Die Angst verhindert, dass Patienten Dinge tun, die ihnen Freude bereiten. Darunter leiden körperliche und soziale Aktivitäten, was wiederum Schmerzen und Depression fördert. Am Ende dieser Abwärtsspirale ziehen sich die Patienten völlig zurück.

Die angstbesetzte Erinnerung an den Schmerz ist immer da, selbst wenn keine Schmerzimpulse mehr aus dem Körper im Nervensystem einlaufen. "Darum muss die Angst bei der Therapie unbedingt berücksichtigt werden", sagt Zieglgänsberger. Als erstes müssten die Betroffenen mit medikamentöser Unterstützung die Erfahrung machen können, dass sie sich schmerzfrei oder zumindest schmerzarm von A nach B bewegen können. "Dann haben sie die Chance, wieder etwas Neues zu lernen, dann beginnt die eigentliche Schmerztherapie", weiß der Schmerzforscher."
Das Schmerzgedächtnis überschreiben
Eine multimodale Behandlung, die verschiedene Medikamente und Verhaltenstherapie kombiniert, kann neue Lernprozesse anstoßen, die alte und unangenehme Gedächtnisinhalte quasi "überschreiben". Die Lernfähigkeit und enorme Plastizität des menschlichen Gehirns macht es möglich, neue Erfahrungen im Gehirn zu verankern, wodurch alte Erinnerungen allmählich verblassen, wenn sie nicht ständig wieder aufgefrischt werden.
Auch Nootropika können helfen, Schmerzfreiheit zu lernen
Um die Angst vor dem Schmerz anzugehen, werden bei der Behandlung chronischer Schmerzen auch Substanzen ohne direkte analgetische Wirkung eingesetzt, die eher indirekt die Schmerzverarbeitung beeinflussen. Dazu zählt Zieglgänsberger beispielsweise Medikamente, welche die Stimmung aufhellen. Auch Nootropika, scheinen das "Re-Learning" zu fördern. Hinzu kommen Substanzen, die Schmerzimpulse bereits auf der Ebene des Rückenmarks unterdrücken können, ohne eine dämpfende Wirkung im Gehirn zu entfalten.
Nicht Erholung im Kurort, sondern schmerzfrei am Arbeitsplatz
Wichtig ist es laut Zieglgänsberger, dass der Patient in seiner natürlichen Umgebung behandelt wird. Bei unspezifischen chronischen Rückenschmerzen beispielsweise sei eine lange stationäre Reha wenig sinnvoll ist. Denn wenn der Patient anschließend in seine alte Situation zurückkehre, seien die Schmerzauslöser wieder da.

Zieglgänsberger empfiehlt in solchen Fällen eine Art Kurs von etwa zehn Tagen, in denen die Patienten lernen, etwas selbst für sich zu tun. Die Losung laute dann: Nicht Erholung im Kurort, sondern schmerzfrei am Arbeitsplatz. Anders sei eine Re-Konditionierung nicht zu erzielen.
me / Quelle: ProScience/arztlichepraxis.de

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