Dienstag, 19. Februar 2008

EBM 2008 schwächt Psychosomatik

19.02.2008 Die Vereinigung psychotherapeutisch tätiger Kassenärzte e.V. (VPK) hat den Kahlschlag bei der Honorierung psychosomatischer Leistungen im EBM 2008 für nicht ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte beklagt.

Zu den Betroffenen zählen auch alle Haus- und Kinderärzte mit Weiterbildung in Psychosomatischer Grundversorgung oder dem Zusatztitel "Psychotherapie - fachgebunden". Sie bekommen eine Reihe bisheriger Einzelleistungen nur im Rahmen der so genannten Grundpauschale vergütet.

So kann beispielsweise eine hausärztlich tätige Kinderärztin seit 1. Januar im Rahmen der Grundpauschale lediglich 1.000 Punkte pro Patient und Quartal abrechnen. Der Punktwert schwankte bisher je nach Region in der Regel zwischen zwei und fünf Cent pro Punkt, das heißt ein Kinderarzt kann im Rahmen der Grundpauschale pro Patient und Quartal nur etwa 20 - 50 € abrechnen. Zum Vergleich: Eine einzige Psychotherapiestunde wird im Rahmen der antragspflichtigen Psychotherapie mit 1.755 Punkten bewertet.
Zwei Ziffern im Kapitel 35.1 sind blockiert
Zu den Leistungen, die von der Grundpauschale nicht ausgenommen wurden, zählt ein Teil der nicht antragspflichtigen Psychotherapieleistungen im Kapitel 35.1 des EBM. Diese können nun nicht mehr als Einzelleistungen neben der Grundpauschale abgerechnet werden. Dabei handelt es sich um die Ziffern 35100 "Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände" und 35110 "Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen".

"Damit werden zwei für die Erkennung und Behandlung psychosomatischer Erkrankungen essenzielle Leistungen bei einer großen Zahl von Ärztinnen und Ärzten faktisch nicht mehr honoriert", warnt Friedrich Neitscher, erster Vorsitzender der Vereinigung Psychotherapeutisch tätiger Kassenärzte e.V. (VPK).

"Es ist absurd, dass damit psychotherapeutische Leistungen, die nur von Ärzten und Ärztinnen erbracht werden dürfen, die zumindest ein 80-stündiges Kurrikulum in Psychosomatischer Grundversorgung absolviert haben, nicht als spezifische Leistungen außerhalb der Versorgungsroutine anerkannt werden," beklagt Neitscher.

Zwar sieht der neue EBM eine pauschale Bewertung psychosomatischer Gesprächsleistungen vor, indem alle Ärztinnen und Ärzte, die mindestens in Psychosomatischer Grundversorgung ausgebildet sind, pro Patient und Quartal 20 Punkte zusätzlich abrechnen können, unabhängig davon, ob sie diese Leistung wirklich erbracht haben oder nicht. Damit wird der Trend zur Minuten-Medizin aber letztlich noch verstärkt, denn bereits etwas ausführlichere Gespräche mit Patienten und Patientinnen werden damit nicht mehr adäquat honoriert.
Psychosomatische Versorgung im Strudel des neuen EBM
"Besonders hart trifft die Regelung Ärztinnen und Ärzte, die im Rahmen der Psychosomatischen Grundversorgung oder einer der Zusatzbezeichnungen Psychotherapie - fachgebunden bzw. Psychoanalyse psychotherapeutische und psychosomatische Leistungen erbringen und bei denen der Anteil psychotherapeutischer Leistungen an den Gesamtleistungen unter 90 Prozent liegt", erklärt Neitscher.

Sie könnten Psychotherapie und Psychosomatik in ihrer Praxis nur theoretisch betreiben, weil ausschließlich in der Zwangsjacke der Pauschalen ihrer Arztgruppe, das heißt letztlich ohne jegliche betriebswirtschaftlich tragfähige Vergütungs-Basis.

Dass die Entwicklung mit dem ab 2009 geltenden Euro-EBM fortgeschrieben bzw. noch verschärft wird, sei zu befürchten. Das GKV-WSG schließt die nicht "ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte" mit psychotherapeutischem Zusatztitel nämlich auch von der Möglichkeit aus, antragspflichtige Psychotherapie außerhalb der dann eingeführten Regelleistungsvolumina abzurechnen.
Tragende Säule der psychotherapeutischen Versorgung
Über 14.000 Ärztinnen und Ärzte führen die Zusatzbezeichnung Psychotherapie - fachgebunden bzw. die frühere Zusatzbezeichnung Psychotherapie. Damit stellen diese Ärzte und Ärztinnen eine tragende Säule der psychotherapeutischen Versorgung dar. "Das Wegbrechen der Psychotherapie - fachgebunden würde an erster Stelle Patientinnen und Patienten treffen, die gleichermaßen auf somatisch-ärztliche wie auf psychotherapeutische Kompetenz angewiesen sind", gibt Neitscher zu bedenken.

"Diese Patientinnen und Patienten finden erfahrungsgemäß nur schwer den Weg zu den Fachärzten der so genannten Psycho-Gebiete oder zu den Psychologischen Psychotherapeuten. Damit wird die Versorgung in diesem Bereich noch schlechter als sie unter bisher geltenden gesetzlichen Regelungen schon war", warnt die VPK in einer an die Urheber des EBM - die KBV und die Krankenkassen - gerichteten Resolution.
Recht auf angemessene Vergütung sollte für alle gelten
Um die Psychotherapie - fachgebunden als eine der tragenden Säulen der psychotherapeutischen und psychosomatischen Versorgung zu erhalten, sei es, so die zentrale Forderung der VPK, unabdingbar, allen Ärztinnen und Ärzten mit psychotherapeutischer Zusatzbezeichnung weiterhin die Abrechnung der EBM-Ziffern 35100 und 35110 außerhalb der Grundpauschale zu ermöglichen.

Weiterhin gelte die Forderung nach einer Ausdehnung des Rechtsanspruchs auf angemessene Vergütung auf alle psychotherapeutisch tätigen Ärzte und Ärztinnen. Die VPK fordert seit Jahren eine entsprechende Änderung des §85 SGB V. "Nur so
könnte dem Aufruf der letzten beiden Deutschen Ärztetage zu einer Stärkung der ärztlichen Psychotherapie Rechnung getragen werden", betont Neitscher.

Quelle aerztlichepraxis.de

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