Donnerstag, 28. Februar 2008

DGPPN: Nicht auf Antidepressiva verzichten

28.02.2008 Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) bezieht aktuell zu Medienberichten Stelllung, die die Wirksamkeit von Antidepressiva anzweifeln. Anlass war eine Meta-Analyse von Irving Kirsch und Kollegen der University of Hull (UK), die in der Fachzeitschrift PLOS Medicine veröffentlicht wurde.

Die Studienergebnisse zeigten im Grunde nichts wirklich Neues, stellt die DGPPN fest. Denn zahlreiche Studien belegten, dass sich die Wirksamkeit eines Antidepressivums umso ausgeprägter von Placebo abgrenzt, je schwerer die Depression der untersuchten Patienten ist.

Diese Beobachtung hätten Kirsch und Mitarbeiter nun an Zulassungsstudien, die der FDA vorgelegt worden waren, repliziert und weiter interpretiert, dass dabei die signifikante Überlegenheit der Antidepressiva gegenüber Placebo einer abnehmenden Wirkung von Placebo bei zunehmend schwerer Depression zuzuschreiben sei.

Auch dies sei seit langem bekannt, entgegnet nun die DGPPN: Ein Placebo wirke umso weniger, je schwerer die Depression sei. Kirschs Befund bestätige somit gerade die Wirksamkeit von Antidepressiva insbesondere bei schwerer Betroffenen.

Entschieden widerspricht die Fachgesellschaft daher der Lesart in manchen Medien, selbst bei schweren depressiven Erkrankungen erzielten Antidepressiva keine klinische Wirkung im Sinne eines Nutzens für die Patienten.
Suizidgefahr bedenken
Allein vor dem Hintergrund der Suizidgefahr ist für die DGPPN die Option einer Therapie mit Antidepressiva unverzichtbar. Statistiken belegten, dass zwischen zehn und 15 Prozent aller Patienten mit wiederkehrenden depressiven Phasen, die deshalb mindestens einmal stationär behandelt werden, durch Suizid sterben.

Die Gesellschaft weist zudem auf die Tatsache hin, dass das englische Wissenschaftlerteam nur eine kleine Auswahl von Antidepressiva in ihrer Analyse berücksichtigte: Fluoxetin, Venlafaxin, Nefazodon und Paroxetin. Nefazodon wurde bereits vor Jahren wegen kritischer Nebenwirkungen vom Markt genommen.

In die Analyse flossen Daten aus lediglich 35 Studien ein. Für die entsprechenden Antidepressiva inzwischen lägen zahlreiche weitere Studien vor. Kirsch hatte sich auf die zur FDA-Zulassung eingereichten Studien beschränkt, um jede Form von Studienselektion zu vermeiden.
"Indikationen sorgfältig abwägen"
Prof. Wolfgang Gaebel, Präsident der DGPPN und Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf stellt die Frage, ob die in Studien gemessenen mittleren Besserungsraten tatsächlich "ein geeignetes Maß für die klinische Relevanz im Sinne eines Patientennutzens" sind.

"Den einzelnen Patienten interessiert doch", so Gaebel, "welche Wahrscheinlichkeit ihm geboten wird, sich in einer Zeit von etwa sechs Wochen wieder gesund zu fühlen. Hier liegt der Unterschied zwischen einem Antidepressivum und Placebo typischerweise bei zehn bis 20 Prozent." Im Vergleich zu vielen anderen medizinischen Interventionen bedeute dies eine beachtliche Wirksamkeit.

Für Gaebel bleibt trotz aller Diskussionen selbstverständlich, dass in jedem Einzelfall die Indikation zur Behandlung mit einem Antidepressivum sorgfältig abzuwägen ist. Er wies zudem darauf hin, dass die Leitlinien der DGPPN zur Diagnostik und Therapie der Depression gegenwärtig überarbeitet werden und die aktualisierte Fassung in Kürze vorliegen wird.

Quelle aerztlichepraxis.de

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